Veranstaltung: | Mitgliederversammlung |
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Tagesordnungspunkt: | #3 Antrag A2 |
Antragsteller*in: | AG Stadtentwicklung und Mobilität (dort beschlossen am: 27.09.2018) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 01.11.2018, 10:16 |
Antragshistorie: | Version 1 |
A2NEU2: Leipzigs Mobilität vom Reifen auf die Füße stellen – Fußverkehr sicherer, schnellerer und attraktiver gestalten
Antragstext
Leipzigs Mobilität vom Reifen auf die Füße stellen – Fußverkehr sicherer,
schneller und attraktiver gestalten
Eine lebenswerte Stadt, mit Freiflächen, Straßencafés und belebten Plätzen
begeistert Menschen und gibt ihnen Heimat und Lebensfreude. Attraktive Wege –
nicht nur durch Parks und den Auwald - lassen die Menschen zu Fuß gehen.
Zu Fuß gehen ist die Fortbewegungsart, die am wenigsten Platz beansprucht, kaum
zu ökologischen Belastungen führt und positive gesundheitliche Auswirkungen mit
sich bringt. Fußgänger werden jedoch mit vielfältigen Belastungen und Barrieren
konfrontiert. Sie sind die schwächsten und damit am stärksten gefährdeten
Verkehrsteilnehmenden. Zugleich ist das Potential des Fußverkehrs insbesondere
für Wege unter 2 km längst nicht ausgeschöpft. Um die Mobilitätsziele im Sinne
des vom Stadtrat beschlossenen Nachhaltigkeitsszenarios zu erreichen, muss
insbesondere der Fussverkehr gefördert werden.
Die Schaffung eines Fußverkehrsbauftragten war ein erster wichtiger Schritt. Nun
muss es darum gehen, eine schlüssige Fußverkehrsplanung auf den Weg zu bringen
und in die gesamte Nahverkehrsplanung der Stadt Leipzig zu integrieren. Dabei
sind Radverkehr, ÖPNV und Fußverkehr keine Gegensätze, sondern lassen sich
miteinander vereinbaren. Wer den Fußverkehr fördern will, muss dabei
insbesondere einen klaren Vorrang gegenüber dem motorisierten Individualverkehr
schaffen. Dabei muss es darum gehen, den Fußverkehr sicherer, schneller und
attraktiver zu gestalten. Als Beitrag zu diesem Prozess schlagen wir konkret
folgende drei Maßnahmen vor:
1. Kürzere Wege für Fußgänger*innen – Gehwegnasenprogramm auflegen sowie
Durchwegungen mitplanen und umsetzen
Nicht nur Gehwegnasen verkürzen die Wege für Fußgänger sondern auch
Durchwegungen. Mit einem Gehwegnasenprogramm für alle Stadtteile in Leipzig
sollen Kreuzungen für Fußgänger sicherer und schneller überquert werden können.
Dabei sind insbesondere Hauptverkehrs- und Haupterschließungsstraßen zu
berücksichtigen. Gehwegnasen sind durch Fahrradbügel und eine konsequente
Ahndung von Falschparkern freizuhalten.
2. Optimierung von Ampelzeiten
Kurze Wartezeiten an Ampeln sorgen für eine höhere Attraktivität des
Fußverkehrs. Insbesondere Kreuzungen, an denen für Fußgänger*innen derzeit noch
eine Wartezeit von mehr als 60 Sekunden besteht, sind auf optimierte
Ampelschaltungen zu Gunsten der Fußgänger*innen hin zu untersuchen. Dabei ist
darauf zuachten, dass die gesamte Kreuzung für die Fußgänger*innen in einer
Schaltphase überquert werden kann ("Grüne Welle für Fußgänger*innen). An
geeigneten Kreuzungen soll das Rundumgrün für Fußgänger*innen im Alltag getestet
werden.
3. Ausbau von Fußgängerbereichen
Fußgängerbereiche sorgen am deutlichsten für den Vorrang des Fußverkehrs und
tragen dabei deutlich zu einer Erhöhung der Lebensqualität bei. Wir wollen den
Anteil von Fußgängerbereichen bzw. Fußgängerzonen deutlich ausweiten. Dazu
sollen Plätze und Straßen im Stadtgebiet identifiziert werden, die sich für den
Umbau zu Fußgängerzonen im Stadtteil oder für Fußgänger*innen freundliche
Stadtteilzentren eignen.
4. Auflegung eines Sanierungprogrammes für Fußwege
Begründung
Gehen ist die natürlichste und grundlegendste Form der Mobilität. Wie das Umweltbundesamt (UBA) mit seiner am 11./12. Oktober veröffentlichten Fußverkehrsstrategie betont hat, sind Fußgängerinnen und Fußgänger die blinden Flecken der Verkehrspolitik. Fußgänger*innen haben oft unter Abgasen, Lärm und Enge zu leiden und sind mit einem Anteil von über 1/3 an allen Verkehrstoten in Deutschland stark gefährdet. Zugleich ist das Potenzial des Fußverkehrs längst noch nicht ausgeschöpft, schließlich sind 20% aller Wege, die mit dem Auto zurückgelegt werden, kürzer als zwei Kilometer und könnten meist problemlos zu Fuß zurückgelegt werden. Fußverkehrsstragien, wie es sie bereits in mehreren europäischen Ländern müssen auf Bundes- und Landesebene entwickelt werden, sind jedoch auch auf kommunaler Ebene notwendig.
Einige der Vorschläge des UBA wie die Verankerung der fußläufigen Erreichbarkeit im Planungsrecht und die Einführung der Regelgeschwindigkeit Tempo 30 innerorts, die Erhöhung der Bußgelder für fußgängerfeindliches Verhalten oder die Festlegung baulicher Mindeststandards für Fußwege oder Ampelschaltungsphasen, sind bundesgesetzlich zu regeln. Unabhängig davon kann Leipzig mit den drei vorgeschlagenen Maßnahmen bereits jetzt vorangehen, um den Fußverkehr zu stärken:
Zu 1.:
Straßenkreuzungen, die nicht ampelgesichert sind, haben oft zu lange Wege für Fußgänger*innen. Dies kann am einfachsten durch sogenannte Gehwegnasen, d.h. bauliche Veränderungen des Kreuzungsbereiches vermieden werden. Nicht nur in der Georg Schwarz Straße werden in Leipzig bereits positive Erfahrungen mit Gehwegnasen gesammelt. Die Verbreiterung der Gehwege im Kreuzungsbereich schlägt dabei zwei Fliegen mit einer Klappe. Der Weg für Fußgänger*innen verkürzt sich oft auf die Hälfte und zudem können die Kreuzungsbereiche von parkenden PKW freigehalten werden, was die Sichtbarkeit unter den Verkehrsteilnehmer*innen (ob aktiv, d.h. Rad- Fussverkehr oder passiv, d.h. PKW, ÖPNV) deutlich erhöht. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn auf der Gehwegnase, Fahrradbügel angeordnet werden, die das Beparken verhindern. Dabei ist darauf zu achten, dass Eltern mit Kinderwagen oder Rollstuhlfahrer*innen weiterhin durchkommen.
Temporär kann eine Gehwegnase auch über Markierungen kostengünstig erreicht werden. Dann ist aber darauf zu achten, dass mobile Randsteine das Befahren und Beparken unmöglich machen. Auch bei diesen Lösungen ist auf die Alltagstauglichkeit für Kinderwägen und Rollstühle zu achten.
Gehwegnasen oder Markierungen nützen aber wenig, wenn diese nicht freigehalten werden und sich wildes, ordnungswidriges Parken auf diesen Flächen ausbreitet. Deswegen wollen wir den Stadtordnungsdienst Leipzig so auszustatten, das er seiner Kontrollaufgabe voll umfänglich nachkommen kann, in dem die Dienstzeiten angepasst und die Personalausstattung erhöht wird. Verkehrsverstöße müssen auch vor 7Uhr – insbesondere rund um Schulen – regelmäßig und häufig geahndet werden. Ist die Sicht durch ordnungswidrig abgestellte Fahrzeuge behindert, muss Abschleppen in Leipzig die Regel werden.
Zu 2.
Kürzeren Wartezeiten für Fußgänger*innen steht jedoch (noch) das Dogma des fließenden Autoverkehrs entgegen. Dies zeigt sich insbesondere in der Richtlinie für Lichtsignalanlagen von 2010 (RiLSA 2010). Diese ist nach Einschätzung des Fachverbandes für Fußverkehrs FUSSeV sogar fußgängerfeindlicher als die Fassung von 1992 (https://gruenlink.de/1j48)
So legt beispielsweise die RiLSA 2010 die Wartezeit für Fußgänger an roten Ampeln fest: „die maximale Umlaufzeit beträgt 120 s“, wobei mehr „als 90s sollten nach Möglichkeiten vermieden werden.“ sollen (RiLSA 2010 2.6). Dies macht Fußverkehr unattraktiv. Wege von 5 Minuten können, so – wenn eine Straße mit Ampel überquert werden muss – um bis zu 40% länger werden. Dies ist vor dem Hintergrund des am 26.9. beschlossenen Nachhaltigkeitsszenarios für den Leipziger Verkehr im Jahre 2030 eine unzumutbare Benachteiligung der Fußgänger*innen.
Statt nach der RiLSA 2010 sollte sich die Verkehrsplanung in Leipzig nach dem Empfehlungen für Fußgängerverkehrsanlagen (EFA 2002) richten. Die EFA 2002 bezieht sich hauptsächlich auf innerstädtische Situationen und ist deswegen im gesamten Stadtgebiet Leipzigs der RiLSA 2010 bei der Verkehrswegeplanung vorzuziehen. Eine weitere Möglichkeit die RiLSA 2010 im Sinne der Fußgänger*innen zu umgehen, bietet die Richtlinie zum Anlegen von Stadtstraßen von 2006 (RASt 2006). Auch hier werden Verkehrslösungen favorisiert, die deutlich näher am Nachhaltigkeitsszenario liegen als die, die die RiLSA 2010 vorgibt.
An Ampeln führen Wartezeiten von über 60s dazu, dass Menschen eher geneigt sind, bei Rot zu laufen. Deswegen empfiehlt die EFA 2002 eine maximale Wartezeit von 40s. Und auch der FUSSeV fordert „Ampel-Wartezeit für Fußgänger/innen an Ampeln sollte möglichst kurz sein. Das dient der Verkehrssicherheit und hat Priorität vor der Flüssigkeit des Fahrzeugverkehrs (vgl. Verwaltungsvorschrift-StVO zu §§39 bis 43 Rn 5).“
Ziel kann und muss es in Leipzig sein, Fußgänger*innen nach weniger als 60 Sekunden an allen Ampel im Stadtgebiet Grün anzuzeigen. Oft sollte es möglichsein, Fußgänger*innen nicht länger als 30 Sekunden warten zu lassen. An reinen Fußverkehrsampeln wie beispielsweise in der Gustav Adolfstraße/ Tschaikowskistraße oder der Erich Köhn Straße/Rietschelstraße kann versuchsweise ein Dauergrün für Fußgänger gelten. Autofahrer*innen „melden“ sich dann mittels Induktionsschleifen in der Fahrbahn an und bekommen so grün auf Verlangen. Dies wird in Graz bereits umgesetzt und behindert den Autoverkehr nicht (https://gruenlink.de/1j49). Bei geeigneten Kreuzungen sollte per Verkehrsversuch §45 Satz 1 (6.)) ein Rundumgrün für alle Fußgängerbeziehungen im täglichen Betrieb ausprobiert werden. Dies ist in Leipzig bereits gängige Praxis im Waldstraßenviertel vor und nach den Spielen des örtlichen Fußballbundesligavereins. Eine Countdown-Ampel kann für mehr Akzeptanz bei Fußgänger*innen sorgen, ist aber im Sinne der Förderung von Fußverkehr nur die zweitbeste Lösung.
Zu 3.
Eine lebenswerte Stadt, mit Freiflächen, Straßencafés und belebten Plätzen begeistert Menschen und gibt ihnen Heimat und Lebensfreude. Attraktive Wege – nicht nur durch Parks und den Auwald - lassen die Menschen zu Fuß gehen.
Durch die Einrichtung von Fußgängerbereiche an zentralen Plätzen und Straßen bekommen Fußgänger*innen mehr Platz und Zeit. Sie führen Studien zufolge auch zu weniger Staus. Plätze, die schon jetzt verstärkt von Fußgänger*innen genutzt werden, derzeit aber noch im Flächenverbrauch vom Autoverkehr dominiert werden, wollen wir so umgestalten, dass Fußgänger*innen mehr Platz bekommen und damit sicherer unterwegs sind. Dies vermindert Konflikte zwischen den Verkehrsteilnehmern und erhöht die Lebensqualität - insbesondere durch weniger Lärm und Abgas an diesen Orten. Gleichzeitig reduziert sich der Park-Such-Verkehr und damit eine typische Staufalle innerhalb der Stadt: Wenn klar ist, dass an bestimmten innerstädtischen Plätzen keine Parkmöglichkeiten bestehen, weicht der Autofahrer gleich auf benachbarte Parkflächen aus, oder geht zu Fuß, weil dies – vor allem wegen der Abwesenheit von PKWs - als angenehmer und entspannender empfunden wird. Solche Lösungen können wir uns in Leipzig nicht nur am Lindenauer Markt (Stadtratsbeschluss zum Umbau der Nordseite zu einer Fußgängerzone von März 2017) sondern beispielsweise auch am Platz vor der Stadtbibliothek oder dem Schützenplatz vor dem Krystallpalastareal vorstellen.
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